FERIENSPIELE Die Atmosphäre am Wickerbach ist auffallend unaufgeregt / Kaum Arbeit für die DRK-Helfer
Main-Spitze, 23. Juli 2016, www.main-spitze.de
Von Jens Etzelsberger
FLÖRSHEIM - 119 Eintragungen im Hilfeleistungsbuch, fünf Fahrten ins Krankenhaus, Stand Freitagmorgen, nach vier Tagen Ferienspielen. Was auf den ersten Blick alarmierend aussieht, ist für die DRK-Helfer der Papier gewordene Beleg für auffallend unauffällige Ferienspiele. „119 Fälle in vier Tagen – vor fünf, sechs Jahren hatten wir das am ersten Tag“, sagt Bettina Proske.
Insektenstiche und aufgeschürfte
Und so dramatisch, wie sich die Zahlen anhören, sind die Umstände, die dahinterstehen, gar nicht. Da das DRK aber penibel Buch führt, ist jeder Schliffer im Finger, jedes Nasenbluten, jeder Schwindel, jeder Insektenstich ein Fall. Dazu kommen die aufgeschürften Knie, die natürlich nicht ausbleiben, wenn in kurzen Hosen auf den Wiesen getobt wird. Auch einige Milchzähne müssen regelmäßig in Hüttenbach dran glauben. Gerade am Freitagmorgen sitzt ein Junge, umringt von drei Freunden, die ihn mit einer Mischung aus Mitgefühl und Neugierde begleiten, weinend vor dem DRK-Zelt, in seiner Hand der ausgefallene Milchzahn. Ein paar tröstende Worte, eine Plastikspritze, in der er die Zahntrophäe aufbewahren kann und der Bursche kann als geheilt entlassen werden.
In wenigen Fällen geht es nicht so einfach. Vier Mal haben sich Nägel in kindliche Fußsohlen gebohrt, ein Mal war es ein kraftvoller Hammerschlag, der, statt dem Nagel den Finger traf, was die Fahrt ins Krankenhaus notwendig machte. Nageltritt und Hammerverletzung – seit Jahrzehnten die absoluten Klassiker unter den Hüttenbach-Blessuren.
Die Sägeunfälle sind dagegen deutlich zurückgegangen, seit die Betreuer mit dem Elektrofuchsschwanz die überstehenden Bretter der Holzhütten kürzen.
Dass in Hüttenbach tatsächlich mehr als 270 Kinder ihr Feriendomizil gefunden haben sollen, erstaunt. Natürlich sind nicht jeden Tag auch alle da und am Freitagmorgen fehlt die kleine Gruppe, die mit dem Fahrrad zur Wickerer Kletterwand aufgebrochen ist, doch die Ruhe, die über dem Kinderdorf liegt, ist angesichts der großen Zahl der Jungen und Mädchen schon erstaunlich.
Schwelende Hölzer und blasse Würstchen
Entspannt sitzen die Kinder vor den Hütten und frönen der Lieblingsbeschäftigung aller Hüttenbacher: Feuer machen. Überall qualmt und lodert es, künden schwelende Hölzer von mehr oder weniger erfolgreichen Versuchen, ein richtiges Lagerfeuer zu entfachen. Eine Gruppe Mädchen hält Stücke von blassweißen Würsten, überzogen mit einer respektablen Rußschicht, über die mehr qualmenden als brennenden Holzscheite und verkündet genüsslich kauend, wie gut die lauwarmen Räucherwürstchen doch schmecken.
„Sehr, sehr entspannt“, beschreibt auch Slawa Rudek, Leiterin der Ferienspiele, die Atmosphäre am Wickerbach, die sich wie ein einziger, großer Entspannungsurlaub für Kinder anfühlt. Und auch die Eltern haben in diesem Jahr erstaunlich gut mitgespielt. „Es ist viel besser geworden“, lobt Rudek die Bereitschaft der Erziehungsberechtigten, sich beim Hüttenbau zurückzuhalten und die Sache ihren Kindern zu überlassen.
Selbst die Geschäftsleute gehen es in Hüttenbach ruhig an. „Wasserbomben, Gumiebärchen, kalte getrenke“ offeriert die Mädchengruppe auf einem selbstgemalten Pappschild und wartet einfach, bis die Kundschaft vorbeikommt. Etienne hütet ein paar Meter weiter den Getränkestand und ist in Sachen Warenpräsentation schon etwas offensiver. Glitzernd laufen die Kondenstropfen von den eiskalten Getränkedosen, die er in die Auslage seiner Hütte gestellt hat. Für Nachschub bürgt die Kühlbox im Hintergrund. Noch bis zum kommenden Samstag hat er Zeit, seine Kundschaft zu finden.