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"Der t\u00e4gliche Wahnsinn"

Höchster Kreisblatt, 14. Februar 2013,  www.fnp.dehk

 

HK Bahnueberquerungen2013Die Gleise im Bahnhofsbereich überqueren viele Schüler – Warnungen werden meistens ignoriert

Schnell über die Bahngleise, das spart Zeit, scheinen manche Jugendliche zu denken. Es ist aber vor allem höchst gefährlich.

Flörsheim. Der Tod einer jungen Wiesbadenerin auf den Gleisen am Flörsheimer Bahnhof sorgte für große Bestürzung. Die Tatsache, dass die Besucherin des Fastnachtszuges nach dem närrischen Treiben am Sonntagabend von einem Zug überfahren wurde, könnte dazu führen, dass der Unfall als Sonderfall abgetan wird. Doch dies verstellt den Blick auf das eigentliche Problem. Dass Jugendliche das Gleisbett im Bahnhof als Abkürzung benutzen, ist keine Ausnahme.

"Es gibt überhaupt kein Unrechtbewusstsein mehr", sagt Franz-Josef Eckert, Bereitschaftsleiter des DRK Flörsheim. Die Mitglieder des Roten Kreuzes, die nach dem Unglück am Sonntag zu den ersten Einsatzkräften am Unfallort gehörten, haben ihr Domizil in Sichtweite direkt gegenüber dem Bahnhof. Von dort aus haben die Rot-Kreuz-Aktiven schon mehrmals beobachtet, wie Schüler über die Gleise laufen. Oft bringe ihn das schrille Warnsignal einer Loks dazu, aus dem Fenster zu schauen, berichtet der Bereitschaftsleiter, der dann oft noch junge Menschen von den Gleisen laufen sieht (siehe auch Bericht unten: "Leichtsinniges Verhalten . . .").

"Der tägliche Wahnsinn", hat Eckert eine Zusammenstellung von Fotos genannt, die er 2009 aufnahm, um die Schulen zu warnen. Die Bilder zeigen Schüler, die in Gruppen über die Gleise laufen. Einige scheinen fast gemütlich zwischen der Bahnschranke in der Wickerer Straße sowie dem Bahnsteig entlang zu schlendern. In diesem Bereich sei bereits ein richtiger Trampelpfad zwischen den Gleisen entstanden, erklärt Eckert. Er hat aber auch beobachtet, dass es in den letzten Monaten ruhiger geworden ist. Durch die Baustelle für die neue Unterführung in der Wickerer Straße seien die Gleise abgezäunt und deshalb schwerer zugänglich, vermutet er eine Ursache. "Aber irgendwann wird das ja auch wieder aufgemacht."
Ein "heikles Thema"
An den Schulen ist man sich des Problems bewusst: "Die Eltern werden schon bei der Einschulung angehalten, mit ihren Kindern darüber zu sprechen", erläutert Klaus Hartwich, Schulleiter des Graf-Stauffenberg-Gymnasiums. Vor einigen Jahren habe es gehäuft Meldungen der Polizei gegeben, dass Schüler über die Gleise laufen, so der Leiter. Damals reagierte die Schule mit einer Info-Veranstaltung für alle Schüler, die mit der Bahn anreisen. In Zusammenarbeit mit der Polizei wurden abschreckende Bilder von Unfallopfern gezeigt. In letzter Zeit seien die Bahngleise aber kein großes Thema mehr gewesen, weil es keine negativen Rückmeldungen der Polizei gegeben habe, berichtet Klaus Hartwich.

Die Schulleitung der Sophie-Scholl-Schule hat alle Lehrer gebeten, heute mit ihren Schülern über die Gefahren der Gleise zu sprechen. Das "heikle Thema" Bahngleise werde jedoch auch ohne aktuellen Anlass regelmäßig zu Beginn des Schuljahres angesprochen, erklärt Schulleiterin Brigitte Wagner-Christmann. Immer wenn es um den Schulweg gehe, werde vor den Gleisen gewarnt. Sie können nicht verstehen, warum Schüler ihren Schulweg trotz der Unterführungen abkürzen, sagt die Leiterin. Sie hat nicht vergessen, dass der Bruder einer Sophie-Scholl-Schülerin vor einigen Jahren vom Zug überfahren wurde. Nur um wenige Meter Fußweg einsparen zu können, habe der junge Mann sein Leben ungewollt verkürzt, zeigt sich Brigitte Wagner-Christmann heute noch geschockt von dem Unfall. (sas)  Foto: Carmen Jaspersen