Mit der Schneeschaufel zum Patienten
Rüsselsheimer Echo, 22. Dezember 2010, www.echo-online.de
Rettungsdienst: Die Einhaltung der üblichen Hilfsfristen ist in Tiefschneezeiten reines Wunschdenken
Hochheim - zehn Minuten; Eddersheim - acht Minuten; Massenheim - acht Minuten. So schnell sind die Ehrenamtler des Flörsheimer Ortsverbandes des Deutschen Roten Kreuzes in der Regel mit ihren Rettungswagen am Einsatzort. In der Regel - das heißt in Zeiten, in denen nicht
schneeschwangere Wintertiefs Flugpläne und Straßenzustandsberichte diktieren. Für die letzten Tage lesen sich die Einsatzberichte nämlich ganz anders. Hochheim - 16 Minuten; Eddersheim - 14 Minuten; Massenheim - 13 Minuten.
Besonders schlimm war es am vergangenen Freitag, als Tief Petra das Land mit Schnee überzog. In der Leitstelle schoben an diesem Tag sechs Mitarbeiter Dienst, um die Einsätze zu koordinieren - statt der sonst üblichen zwei. Gegen 9 Uhr war der hauptamtliche Rettungsdienst des Main-Taunus-Kreises mit seinen zehn Rettungs- und drei Notarztwagen an seiner Kapazitätsgrenze angelangt. Kreisweit wurden deshalb alle für den Liegendtransport verwendbaren Rettungswagen der Ortsvereine alarmiert. Allzu viel sind das nicht mehr. Von den 18 DRK-Ortsverbänden im Kreis halten nur noch sieben eigene Fahrzeuge vor. »Vielen sind die Anschaffungs- und Unterhaltskosten zu hoch«, so Franz-Josef Eckert, Geschäftsführer des DRK Flörsheim. Die Fahrzeuge und ihr Unterhalt kosten Geld, aber auch die Ausbildung der Besatzung. So kostet es rund fünftausend Euro, einen
Rettungssanitäter auszubilden.
Mit vereinten Kräften wurde die Lage - neunzig Einsätze zwischen fünf und 11 Uhr, unter Kontrolle gebracht. Darunter einige Knochenbrüche und ein Kreislauf-zusammenbruch vom Schneeschippen. Von der Einhaltung der gesetzlichen Hilfsfrist von zehn Minuten konnte angesichts der Wetterverhältnisse aber keine Rede sein.
So hat es eine halbe Stunde gedauert, bis der Flörsheimer Rettungswagen bei einem Infarktpatienten in Okriftel angekommen war. Und dann standen die Retter auch erst vor dem Haus. An einen schnellen Zugang mit der Trage war nämlich nicht zu denken. An den Straßenrändern türmte sich der beiseite geräumte Schnee und wo der nicht lag, parkten Autos. Erst mit einer vom Nachbarn geborgten Schneeschaufel konnten die Retter einen Weg für ihre Trage bahnen. Insgesamt wurden die Flörsheimer am Freitag zu vier Einsätzen gerufen.
Franz-Josef Eckert, seit 1978 dabei, kann sich nicht erinnern, in den letzten Jahrzehnten einen solch lang anhaltenden Schneefall erlebt zu haben.