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80 000 hatten Spass uff de Gass

Höchster Kreisblatt, 19. Februar 2007 www.rhein-main.nethk
Von Thorsten Remsperger


Flörsheim. Die Sonne kräftig lacht zur tollen Flerschemer Fassenacht. Der Himmel strahlend blau für die große Narrenschau. So ein schöner Zug wie dieses Jahr – Gott Jokus sprach: Wie wunderbar!

Seit 45 Jahren befindet sich diese Stadt im Ausnahmezustand, wenn der Kalender den Fassenachtssonntag anzeigt. Aber auch die treuen Besucher werden sich lange zurückerinnern müssen, wann sie das letzte Mal einen solch rundum gelungenen Fassenachtszug in Flörsheim erlebt haben. Selbst die sonst eher zurückhaltenden Hüter des Gesetzes gerieten ins Schwärmen. „So etwas hat man die letzte Zeit selten gesehen, es war so eine Masse an Menschen“, sagte Uwe Schneider, stellvertretender Polizeidienststellenleiter in der Untermainstadt. 80 000 Besucher, so schätzt die Polizei, haben gestern bei frühlingshaftem Wetter, wie es in der „fünften Jahreszeit“ besser hätte nicht mehr sein können, auf der Straße gefeiert, gesungen, gelacht – und etliche Male den Flörsheimer Schlachtruf „Hall die Gail“ zum Besten gegeben. Das waren mehr als doppelt so viele Besucher wie im vergangenen Jahr. Durch die 161 Zugnummern, auch das war eine deutliche Steigerung, dauerte der „Spass uff de Gass“ gut drei Stunden. „Beim FNC wird dargebracht, echte Flerschemer Fassenacht“, heißt der Slogan des organisierenden Flörsheimer Narren-Clubs – besser als gestern geht das fast nicht mehr.

Bei so vielen Menschen bleiben unliebsame Zwischenfälle nicht aus: Von drei Schlägereien in der Grabenstraße und Eisenbahnstraße ohne ernsthafte Folgen berichtete Schneider (Stand: 18 Uhr), mit 15 Autos seien aus dem Parkverbot so viele wie selten zuvor abgeschleppt worden. Die Menschenmassen in der Kernstadt erinnerten fast ans Public Viewing bei der Fußball-WM – auch mehrere Gruppen thematisierten das „Sommermärchen“. Die Sänger des Volksliederbunds waren als „Weltmeister der Herzen“ unterwegs, die „Wandaale“ des Sport-Clubs DJK Schwarz-Weiß holte die „Schwarz-Rot-Gaile-Meile“ auf Flörsheims Straßen. Und die Kicker von Germania Weilbach liefen entweder als lebendige Fußbälle mit oder standen auf ihrem Spielfeld, das noch gebaut werden muss. „Antenbrink Du bist ein Schatz, bau uns einen zweiten Platz“, wünschten sie sich vom Bürgermeister. Dem Lokalkolorit verschrieb sich auch die „Flerschemer Fassenachts-Gesellschaft“ mit ihrer rollenden 70er-Jahre-Discothek: „Umgehung, Fluglärm, hier tut’s krache’, drum tun mer hier jetzt Disco mache’.“ Politisch wurde es bei der „DJK-Panzerotti-Gang“, denn: „19 Prozent, des is’ en Wahn, jetzt mist’ er wie die Schotte spar’n.“ Der Raunheimer Opel-Club kritisierte dagegen das Fahrverbot bei überhöhten Feinstaubwerten.

Was die Flörsheimer Straßenfassenacht so richtig ausmacht, sind jedoch die vielen kreativen Privatgruppen und Vereine, die das ganze Jahr über an ihrem Motto tüfteln, basteln und schneidern. Wie viel Mühe sich mancher Teilnehmer macht, war zum Beispiel an den Bienen des Hattersheimer Kleingartenvereins zu sehen. Nach der Hälfte des Zuges jagte ein optischer Augenschmaus den nächsten: Die Gruppenmitglieder von „Hipp de Bach – Dripp de Bach“ finden die Fassenacht „galaktisch gut“ und starteten in Alufolie als Raketen, die Los Egalos“ mutierten zu Senftuben, die „Altstadtborzeler trugen ihre Kostüme falsch herum (mit den Beinen auf den Schultern), die „Eggs ent orbis“ waren als Hühner unterwegs und der Flörsheimer Carneval-Verein als eine der größten Fußgruppen zauberte das „Casino Carneval“ mit riesigen Rouletttischen auf die Straße. Die Narren waren begeistert und feierten auf der After-Zug-Party an der Gallus-Kirche bis in die Nacht.