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Training für die grauen Zellen

Rüsselsheimer Echo, 24. April 2003, www.echo-online.de hk echo

 

Gehirnjogging: Beim DRK wird der Denkmuskel auf Trab gebracht – Ungewohnte Reize sollen das Hirn stimulieren – Kein Intelligenztraining – Kurzzeitgedächtnis macht die meisten Probleme

FLÖRSHEIM. Fünf, neun, drei, sieben, zwei - langsam spricht Anja Bühler-Siebers die Zahlen in die Runde. Die sieben Personen am Tisch hören aufmerksam zu. Wenn die letzte Zahl gesagt ist, dürfen sie zum Stift greifen und das eben gehörte notieren. Kein Problem, die fünf Zahlen schaffen alle. Bei sechs Zahlen wird es schwieriger und bei sieben steigen die Ersten aus. Zahlen werden verdreht und vergessen, die so genannte „Bewusstseinsspanne“ ist ausgereizt. Wie groß diese Aufzeichnungsfähigkeit des Gehirns für das gerade eben Gehörte ist, ist auch eine Frage des Trainings. Und genau wird beim „Gehirnjogging“ des DRK angeboten. Ein Mal im Monat treffen sich Interessierte, um unter Leitung von Anja Bühler-Siebers die grauen Zellen zu fordern. Der Begriff „Gehirnjogging“ beschreibt die Sache dabei ziemlich treffend. genau wie Herz, Lunge und Muskulatur kann auch das Gehirn trainiert werden.

Mit Intelligenztraining habe das Ganze nichts zu tun, betont Bühler-Siebers. Vielmehr damit, die Informationsgeschwindigkeit zu erhöhen und die Merkfähigkeit zu steigern. Wesentlichster Punkt sei es dabei, das Hirn mit unbekannten Reizen zu stimulieren. „Routine ist Gift für das Gehirn“, betont Bühler-Siebers. Und so präsentiert die Fachassistentin für Hirnleistungstraining den Teilnehmern Arbeitsblätter mit scheinbar sinnlosen Aufgaben. In einer Reihe von Zahlen müssen alle Vierer, Sechser und Achter angekreuzt oder Stabreime formuliert werden. „Zahlen und Buchstaben werden im Kurzzeitgedächtnis verarbeitet“, sagt die Fachfrau und weiß, dass es hier die meisten Probleme gibt.

Dass diese Probleme unvermeidliche Alterserscheinungen sind, ist ein weit verbreiteter Irrglaube, sagt Bühler-Siebers. Denn echte Verluste durch den Tod von Hirnzellen gäbe es frühestens ab dem 70. Lebensjahr. Zwar litten viele alte Menschen unter Vergesslichkeit, aber das liege meist an einer zunehmend reizarmen Umgebung, die auch die Hirnleistung schrumpfen lässt. Der Lebenspartner ist verstorben, die Sozialkontakte verebbt, die Mobilität eingeschränkt, der Alltag zunehmend eintönig – in dieser Situation wird das Hirn nicht gefordert. Das Fernsehgerät ist da keine Hilfe. Der Blick in die Glotze ist nur ein passiver Reiz, der den Hirnzellen keine sonderliche Aktivität abverlangt, sagt Bühler-Siebers. Auch Kreuzworträtsel sind nicht geeignet, die Hirnleistung zu trainieren, wird doch meist nur schon bekanntes und gespeichertes Wissen abgerufen.

Viel besser sind da neue, ungewohnte Reize, die die Hirndurchblutung und damit die Sauerstoffversorgung in Gang und die grauen Zellen auf Trab bringen. Ein paar regelmäßige zerebrale Fingerübungen reichen aus, um dauerhaft in Schwung zu bleiben. Gelegenheiten kennt Anja Bühler-Siebers zur Genüge. In der Schlange an der Supermarktkasse einfach mal die Preise der Waren im Einkaufswagen addieren oder die Aufdruck auf der Packung der Tiefkühlpizza rückwärts buchstabieren - schon kommt das Blut im Hirn in Wallung. Vor dem Zubettgehen sollte man auf solch anregendes Training allerdings verzichten, rät Bühler-Siebers.